Dass der mit Überraschung im April von der CSU-Stadtratsfraktion eingebrachte
Vorschlag einer Stadtseilbahn als integrierter Bestandteil des bereits bestehenden
Mobilitätskonzepts 2030 auf große Aufmerksamkeit stieß, zeigte nicht nur das große,
teils überregionale Medienecho, sondern auch die Vielzahl an Zuhörern (über 300!)
beim Tourismusgespräch von Montag, welches von Studenten der Hochschule
Kempten initiiert wurde. Dieses wurde auch von zahlreichen Mitgliedern der Grünen
Jugend Allgäu besucht. Da wir die nachhaltige Entwicklung des ÖPNVS unserer
Stadt als einen zentralen Schwerpunkt unseres kommunalen Engagements sehen,
fühlen wir uns dazu verpflichtet und verantwortlich, als Grüne Jugend, unabhängig
von der Meinung des Kreisverbands bzw. der grünen Stadtratfraktion, hiermit
Stellung zu den Plänen zu beziehen. Unsere Stellungnahme erfolgt aufgrund der
Einbeziehung der uns vorliegenden Informationen von der
Verkehrsausschusssitzung vom 15. Juli 2019 mit zeitlicher Verzögerung statt.
Eine Zusammenfassung des Tourismusgesprächs finden Sie unter folgendem Link:
https://www.all-in.de/kempten/c-lokales/hochschule-informiert-ueber-moeglicheseilbahn-option-in-kempten_a5037453
Das Mobilitätskonzept 2030 kann unter folgendem Link runterladen werden:
https://www.kempten.de/mobilitatskonzept-2030-9880.html
Zunächst soll erwähnt sein, dass wir die Einbeziehung von alternativen
Beförderungsmethoden und neuen Technologien in die Entwicklung unseres ÖPNVs
grundsätzlich sehr begrüßen. Hierbei ist vor allem der von Stadtrat Helmut Berchtold,
CSU, hervorgehobene Ökologie- und Sicherheitsaspekt von Seilbahnen zu nennen.
Zudem befürworten wir auch die geplante Dezentralisierung der ZUM zur Entlastung
auf drei Standorte, sofern zügige und reibungslose Umstiegsmöglichkeiten
gewährleistet sind, die den ÖPNV für Kempten und das Umland nicht unnötig
verlangsamen. Ein überzeugendes Konzept ist von den Verantwortlichen hierbei
noch vorzulegen.
Dennoch zeigte das Gespräch am Montag, dass die CSU-Stadtratsfraktion das
Thema des nachhaltigen und zukünftigen ÖPNVs in Kempten unseres Erachtens
offenbar falsch angeht. So brachte die CSU Vorschläge ein, die primär die
Verbannung der Busse aus der Innenstadt anstatt des mobilisierten
Individualverkehrs zufolge hat. Zudem wurde eine Kostenrechnung mit
intransparenten und nicht nachvollziehbaren Kosten vorgelegt, bei der von der
Seilbahn als Bussubstitut anstatt als zusätzliches Fortbewegungsmittel ausgegangen
wird. Die Beantwortung der Frage unseres Mitglieds Fabian Kirchmann nach den
konkreten Örtlichkeiten für die Seilbahnstationen zeigte, dass derzeit keine
fundierten Pläne für Seilbahnstationen vorliegen. Aber auch eine noch
unbeantwortete, weitere Frage eines Zuhörers nach der vorgesehenen Seilbahnart
zeigt, dass ausschließlich mit vagen Kosten gerechnet wurde, sodass der
Kostenvergleich nicht ernst genommen werden kann und hinfällig ist. Wir sehen in
einer Seilbahn, genauso wie der Verkehrsexperte Prof. Dr. Heiner Monheim, kein
Substitut zum Busverkehr und allenfalls ein Verkehrsmittel zur Entlastung von
verstopften Straßen. Dies kann in Kemptens Innenstadtbereich jedoch vernachlässigt
werden, wie das in 2017 angefertigte Mobilitätskonzept zeigt1
. Zu einer von uns
geforderten, grundsätzlichen Verbannung und Reduzierung der PKWs im
Innenstadtbereich dient die Installation der vorgesehenen Stadtseilbahn, im
Konkreten vor allem der geplanten Ringseilbahn, jedenfalls nicht.
Ein weiteres Problem sehen wir vor allem beim massiven Widerstand der
Bevölkerung. Spätestens beim Bau der Seilbahn wird es zu Unruhen der Anlieger
und rechtlichen Problemen führen. Wir sehen in der Seilbahn keinen ausreichenden
Nutzen, um diese einzugehen.
Wir fordern deshalb das Überdenken des Projekts, da wir der Überzeugung sind,
dass die Kapazitäten in der Verwaltung für die Prüfung dieses Vorhabens und die
Kosten für die Tourismusattraktion „Seilbahn“ (angeblich 70 Millionen Euro Kosten in
40 Jahren) durchaus anders eingesetzt werden können. So steht die weitere
Umsetzung des bisherigen Mobilitätskonzepts aus, welches unseres Erachtens
primäres Ziel sein und auch an aktuelle Gegebenheiten angepasst werden sollte.
Philipp Artmann, GJ: „Zentraler Punkt ist hierbei, den ÖPNV in Kempten durch
günstigere Tickets, eine höhere Taktung und längere Fahrtzeiten am Abend deutlich
attraktiver zu machen. Neue Technologien zur Reduktion der Emissionen sollten
berücksichtigt werden.“
Zudem handelt es sich bei der Stadt Kempten um eine Stadt mit einem
Einzugsgebiet von circa einer halben Millionen Menschen2
, sodass Kempten bei der
Umsetzung von nachhaltigen Mobilitätsmaßnahmen nicht isoliert betrachtet werden
sollte. Das Umland trägt wesentlich für den Verkehr innerhalb Kemptens bei (Stand
2012 bereits ca. 131.000 KfZ/Tag3
) und darf bei der Neugestaltung des ÖPNVs nicht
vernachlässigt werden. Wir schließen uns deshalb dem Antrag vom 13. Juli 2019 der
grünen Stadtratsfraktion an, ein Regionalbahnkonzept als einen, ABER nicht
einzigen Baustein zur Verbesserung der Anbindung des Umlandes prüfen zu lassen.
Dadurch wäre unseres Erachtens eine deutlich praktikablere Anbindung der Region
mit der Kemptener Innenstadt möglich als mit dem Vorschlag einer Stadtseilbahn.
Die bessere Anbindung des Umlands ist teuer, aber in der zukünftigen
Mobilitätsgestaltung innerhalb und um Kempten elementar und unerlässlich!
Unternehmungen, die den motorisierten Individualverkehr fördern, sollten nicht weiter
verfolgt werden. Dazu gehört unter anderem auch das Unterlassen der
Genehmigung bzw. des Baus weiterer Tiefgaragen und Parkhäuser, die keinem
Park-and-Ride-Zweck am Stadtrand der Stadt dienen.
Außerdem fordern wir, dass die Verbesserung der Situation für Fahrradfahrer durch
Fahrradwege bzw. -straßen und mehr verkehrsberuhigte Bereiche vorangetrieben
wird. Das Mobilitätskonzept weist enorme Schwachpunkte im Bereich des
Fahrradverkehrs auf.4 „Fahrradfahren hier in Kempten ist lebensgefährlich. Dass dies
nicht nur ein Gefühl ist, sondern Realität, zeigt die Auswertung im Mobilitätskonzept.
Wer keine Fahrradwege bauen kann, sollte erst recht keine Seilbahnen in Angriff
nehmen.“, so das GJ-Mitglied Nicolas Fritsche. Die letzte Verkehrsausschusssitzung
zeigte, dass laut Ausführungen von Bündnis 90/ Grünen5
einige Maßnahmen in
Bezug auf den Radverkehr beschlossen wurden. Aufgrund der von uns ebenfalls zu
kritisierenden, fehlenden Transparenz der Ausschusssitzungen (verspätete
Anfertigung von Protokollen, keine ausreichende Stellungnahmen online von
anderen Stadtratsfraktionen zu Ausschusssitzungen), können wir die
Entscheidungen nicht abschließend beurteilen. Wir hoffen dennoch, dass
angemessene und in sich schlüssige Verbesserungen im Verkehr für die Kemptener
Bürger*innen getroffen wurden und schnellstmöglich weitere getroffen werden!
1 Mobilitätskonzept 2030, https://www.kempten.de/mobilitatskonzept-2030-9880.html,
S. 48 zzgl. Anhang.
2
Standortportal.bayern.de, https://standortportal.bayern/de/BayStandorte/
Schwaben/KemptenAllgaeu.html . 3
Vgl. Mobilitätskonzept 2030, https://www.kempten.de/mobilitatskonzept-2030-
9880.html , S. 39.
4
Vgl. Mobilitätskonzept 2030, https://www.kempten.de/mobilitatskonzept-2030-
9880.html , S. 89-109.
Anbei das Dokument auch als PDF.
„Seilbahnprojekt und Mobilitätskonzept – die Grüne Jugend Allgäu nimmt Stellung
Schreibe einen Kommentar